Ich war nie ein Weihnachtsfan. Zumindest nicht seit der Pubertät. Abgesehen vom guten Geschirr und Geschenken waren die Weihnachtstage nichts Besonderes. Wir verbrachten die Feiertage – wie immer – in unserer kleinen Dreier-Konstellation. Es klingt kitschig, aber: Liebe und Geborgenheit habe ich in unserer kleinen, verrückten Familie über das Jahr hinweg genug bekommen, da brauchte es nicht so ein dämliches Fest, an dem nicht einmal in den Online-Rollenspielen mehr was los war.
Für das pubertierende Teenager-Monster war gezwungene Zeit mit der Familie sowieso total ätzend. Ist ja nicht so, als hätten wir nicht fast alle der anderen 362 Tage abends zusammengesessen. Trotzdem bestanden meine Mutter und meine Oma auf die guten Tischdecken, das gute Geschirr, den kleinen Lord, Feuer im Kamin, die beleuchtete Adventsgirlande an der Treppe, einen großen Weihnachtsbaum und Weihnachtsmusik.
Ich erinnere mich noch, dass ich die klassischen Weihnachtslieder von der Schallplatte immer furchtbar schwermütig fand. Für Klein-Miri war der Kontrast zwischen der Vorfreude auf die Geschenke und den dröhnenden, erhabenen Klängen aus den Boxen zu groß.
All diese Traditionen, die ich früher komisch, später nervig fand, sind diejenigen, nach denen ich heute immer mehr das Bedürfnis habe, sie selbst in mein eigenes Weihnachten zu integrieren. 2019 ist das achte Weihnachten, an dem meine Familie mich nicht mehr zum Weihnachtsbaumschmücken oder zum gemeinsamen Heulen beim kleinen Lord einladen kann. Seitdem ist es an mir, jedes Weihnachten auf Neue herauszufinden, wie ich diese Tage im Jahr so gesund, achtsam und erträglich wie mir möglich ist, überstehe.
Dabei war schon alles dabei von dem verzweifelten Versuch, alles so zu schmücken „wie immer“; Weihnachten komplett zu ignorieren, um schmerzlich herauszufinden, dass sogar der 24/7 McDonalds an Heiligabend geschlossen hat; durch die leere Stadt fahren oder Weihnachten verschlafen/verzocken. Die meisten Jahre habe ich also versucht, das Spektakel zu ignorieren und zu verdrängen. Spoiler: Das funktioniert kurzfristig mäßig. Langfristig geht’s in die Hose.
Das Problem ist: Du kannst Weihnachten nicht entkommen.
Irgendwann wird das Weglaufen vor dem Fest noch stressiger als sich dem Elend einfach hinzugeben. Das meine ich tatsächlich wörtlich. Hingeben und annehmen hat mir unfreiwillig sehr geholfen. Im nächsten Schritt ging es dann darum, herauszufinden, was ich eigentlich möchte. Und dann muss man scheißehrlich zu sich sein, sonst wird das Unterfangen nix.
In dem Moment kam bei mir nämlich zum Vorschein, dass ich die Gemütlichkeit an Weihnachten eigentlich sehr mag. Feuer, Lichterketten – und auch träge Weihnachtslieder. Natürlich nicht die uralten Schinken von der Platte, die noch den Krieg überstanden hat, sondern ruhige, leise, instrumentale Piano-Interpretationen der klassischen Weihnachtslieder. Spotify ist da meine Rettung. Denn diese eine Piano Christmas Playlist höre ich, sobald die Tage dunkler werden, rauf und runter. Und ja, das fängt schon im Oktober an. Hat doch keinen zu interessieren und darüber zu urteilen, ob ich im Oktober, Juli oder Dezember an dieser Musik Spaß habe. Und wisst ihr, woran ich noch Spaß habe? An „Last Christmas“. So!
Damit geht es nämlich weiter in diesem komischen Weihnachtswirrwarr: Es kann anderen scheißegal sein, wie Du dein Weihnachten verbringst. Wichtig ist nur, dass Du dir nicht aus Bockigkeit, gesellschaftlichen Konventionen oder aus Angst vor der Angst schöne Momente nicht erlaubst.
Ich möchte hier keine Tipps runterrattern, wie man Weihnachten alternativ verbringen kann, wenn die Blutsverwandtschaft keine Option ist. Wichtig ist nur: Es ist vollkommen okay, wenn sie das nicht ist!
All denjenigen, die auch an Weihnachten zu kämpfen haben, kämpft wenigstens für euch selbst. Findet Musik, die euch über Wasser hält, das darf auch „Last Christmas“ sein oder das neue Weihnachtsalbum von Robbie Williams, wenn euch das ein wohliges Gefühl gibt.
Mein Anfang war diese dämliche Spotify-Playlist, die mir unter die Haut gekrochen ist, obwohl ich das gar nicht wollte. Schließlich ist Weihnachten ja doof.
Doof ist aber auch, mit Ende 20 an dem bockigen Verhalten einer Pubertierenden festzuhalten. Stattdessen glaube ich daran, dass es sich lohnt, Jahr für Jahr sich aktiv eine Strategie zu erarbeiten, um mit den Festtagen irgendwann seinen Frieden finden zu können.
Teilt gern eure Meinung zum – für euch – friedlichen Umgang mit Weihnachten* in den Kommentaren hier oder auf Insta. Ich bin sicher, wir können da noch viel voneinander lernen!
Passt auf euch auf!
P.S.: Solltet ihr in der Zeit an eure Grenzen kommen, findet ihr Hilfe bei der Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 (gebührenfrei).
* Es muss nicht unbedingt Weihnachten sein. Vom Prinzip her gilt das für alle Festivitäten. Weihnachten ist nur mein Beispiel, weil ich in diesem Kulturkreis aufgewachsen bin.