Hi, ich bin Miriam & mein Uterus geht dich einen Scheiß an.

In meiner kleinen, heilen Blase war ich eigentlich davon ausgegangen, dass sie Fragen wie “Wann bekommt ihr Kinder” oder “Hast Du deine Tage oder was?” auch gesamtgesellschaftlich erledigt hätten – zumindest ab meiner Generation.

Spoiler: Ich war naiv. Natürlich ist dem nicht so. Und natürlich bin ich voll ins Messer gelaufen.

Aber von vorne

Ich frage mich wirklich, was andere Leute – speziell die Kategorie, die man erst wenige Stunden kennt – so interessant an meinem Uterus finden, dass sie mir offen folgende Fragen stellen:

  • Ist er bewohnt?
  • Wenn nein I: Warum nicht?
  • Wenn nein II: Ja, aber wann denn?
  • Wenn nein III: Aber Du bist doch verheiratet!???!!!einself
  • Wenn nein IV: Wenn ihr nicht den gleichen Nachnamen tragt, wie heißen denn dann bloß eure Kinder? Also jetzt mal wirklich?
  • Wenn ja: Welches primäre Geschlechtsteil bildet dein Uterus da gerade aus?
  • Hast Du deine Tage oder was?

Ich gebe zu, die letzte Frage wurde mir schon lange nicht mehr gestellt. Scheint sich also auch in meiner erweiterten Bubble als unpassende Frage herumgesprochen zu haben. Auf die anderen Fragen trifft das leider nicht zu. Auf der letzten Party war die Checkliste der unpassenden Uterus-Fragen binnen vier Stunden vollständig abgehakt, meine persönlichen Grenzen weitgehend niedergetrampelt und meine Freude auf das nächste Zusammentreffen mit Freunden von Freunden auf ein Minimum gesunken.

“Man kann ja heute gar nichts mehr sagen.” – Stimmt nicht, aber man bekommt mehr Gegenwind. Und um dich in Zukunft vor Fettnäpfchen und Gegenwind zu schützen, möchte ich hier kurz erklären, aus welchen Gründen, dich der Uterus deines Gegenübers nichts angeht.

Warum soll man sowas nicht fragen?

Weiter unten findet ihr, was mir binnen eines Abends passiert ist.

  • Ganz easy: Die Person möchte keine Kinder. Genauso wenig wie die Person Kinder möchte, möchte sie sich übrigens vor Fremden dafür rechtfertigen, warum das so ist. Denn die Nachfrage nach dem Warum wird kommen. Sie kommt immer.
  • Auch nicht schwer zu verstehen: Dein Gegenüber hat keinen Schimmer, ob das mit der Fortpflanzung ein Ding für ihn*sie ist. Lebensphase, Selbstbewusstsein, Lebensumstände, Gesundheit – das alles sind Gründe, die sich jetzt noch nicht richtig anfühlen, aber für die Zukunft kein Hinderungsgrund sind. Möchte man seinen Struggle vor unbekannten Menschen ausbreiten? Wohl nicht.
  • Die Person möchte Kinder, kann aber keine bekommen. Weil jeder gern über zerplatzte Träume, Krankheiten und dem Gefühl des Scheiterns in einer geselligen, lockeren Runde mit Unbekannten spricht, ist das ein richtiger Stimmungsmacher. Nicht. Lass das.
  • Dein Gegenüber hat ein Kind verloren. Mit traumatischen Ereignissen vollkommen aus dem Nichts konfrontiert zu werden, kann eine Person nachhaltig negativ beeinflussen. Auch darüber möchten Betroffene nicht mit Fremden Leute sprechen. Wenn doch, werden sie es schon tun.
  • Dein Gegenüber hat keinen Uterus. Meinst Du, dein Gegenüber hat Bock, dir auf der Party die komplette Lebens- und Leidensgeschichte der Vergangenheit zu erzählen, die dazu führt, dass die Person keine Kinder gebären kann? Ich denke eher weniger.

…und ganz viel dazwischen und darüber hinaus.

Wenn Personen doch über die oben genannten Themen sprechen möchten, werden sie das tun. Spätestens, wenn das Thema Kinder aufkommt. Und das kommt es bei Menschen um die 30 immer unweigerlich. Zumindest meiner Erfahrung nach.

Der Unterschied ist aber, ob es einen Raum gibt, an dem man sich beteiligen kann(!) oder ob man mit der Vorstellung der eigenen Person (in meinem Fall) auch den derzeitigen und geplanten Zustand des eigenen Uterus vor versammelter Mannschaft vortragen muss und ein Ausweichen nur Rückfragen erzeugt.

Ungeil. Wirklich ungeil.

Das ist passiert.

Der Abend war lang, der Abstand zwischen den Fragen erstaunlich kurz. Denn die Flucht vor der einen Gruppe führte mich in das Nachgefrage bei der nächsten.

In der ersten Situation wurden wir vollkommen zusammenhangslos einfach gefragt, wann wir denn Kinder bekämen. Beim Hinweis, dass es unpassend ist, sowas zu fragen, kam nur der dezente Hinweis: “Ich habe ja nicht gefragt, ob ihr welche bekommen wollt, sondern wann.”

Das habe ich schon als next level der Grenzüberschreitung empfunden. Mein Gegenüber hat schlichtweg nicht das Recht – insbesondere, wenn ich vorher schon eine klare Grenze gezogen habe – noch einmal nachzufragen. Und das betrifft sowohl meinen Uterus, meine Pickel, meine Lebensentscheidungen, die Wahl meines neuen Autos oder sonst irgendetwas, wozu ich mich entschieden habe – oder auch nicht.

Bitte achtet auf Grenzen, die euch gezogen werden – und respektiert sie.

Neue Runde, neues Glück: Es ging um unsere Nachnamen und dass wir trotz Hochzeit beide unsere Namen behalten haben – OMG! Im Jahr 2021, wie konnte das nur passieren! Denkt doch an die Kinder, wie sollen die denn heißen? Kein Witz. Das war ein großes Problem für den Fragesteller. Sollen die denn dann einen Doppelnamen tragen, den ihr nicht wolltet? Wie macht ihr das denn dann? Also jetzt im Ernst?

Im Ernst: Es geht dich einfach nichts an. Es geht dich nichts an, wieso wir keine Kinder haben und es geht dich nichts an. Bei uns ist das nicht der Fall, aber man stelle sich vor, dieses Gespräch wäre mit einem Pärchen geführt haben, die sich ein Kind wünschen, aber keines haben (aus welchem Grund auch immer). Die würden über Minuten mit Fragen zum Namen ihres Wunschkindes konfrontiert und in Szenarien geschleudert, die unfassbar schmerzhaft sein müssen.

Denkt doch bitte mal zwei Meter weiter, wenn ihr Menschen mit Fragen löchert. Ein bisschen Empathie reicht da meist schon, um hinzuspüren, ob das jetzt ein willkommenes Thema beim Gegenüber ist oder nicht.

Eure Erfahrungen?

Ist euch Ähnliches schon einmal passiert und wie seid ihr damit umgegangen?