Der Dezember ist ein Monat der Jubiläen. Erst feierten die Donots ihr 1000. Konzert beim Grand Münster Slam in Münster und jetzt zelebrieren Massendefekt ihr 15-jähiriges Bandbestehen zusammen mit 2000 Fans im Stahlwerk in Düsseldorf. Ein Heimspiel eben.
Dabei wurde die Band eigentlich nur für einen einzigen Auftritt gegründet. So kann’s gehen – und vor allem weitergehen!
The Chuck Norris Experiment | Die Panzerknacker sind los
Der Vergleich tut mir fast schon leid, aber als die schwedischen Hard Rocker auf die Bühne kommen, bleibt nur ein Gedanke übrig: Wer hat die denn frei gelassen? Der dick über die Augen gepinselte schwarze Balken verleiht den nicht mehr ganz so knackigen Herren unausweichlich das gewisse Panzerknacker-Flair.
Auf Platte ganz nett, können sie mich an diesem Abend leider gar nicht überzeugen.
Das liegt weniger an der Band selbst, sondern ist der miserablen Soundabmischung geschuldet. Ein paar Reihen mittig vor der Bühne sollte man zumindest den Sänger einigermaßen hören und verstehen können. Pustekuchen, da hat wohl jemand am Sound gepennt.
Das ist vermutlich auch der Grund, warum der Funke zwischen The Chuck Norris Experiment und dem Stahlwerk so gar nicht überspringen will. Freundliches Gewippe im Publikum ist alles, was die Band aus einigen wohlwollenden Zuschauern rauskitzelt. Da hilft auch kein Sebi, der der Band für einen Song zu Hilfe eilt.
In solchen Momenten ist besonders das Düsseldorfer Publikum gnadenlos. Sound sitzt nicht, schwedischer Hard Rock ist im Punk auch nicht jedermanns Sache – das war’s dann.
Blackout Problems | Der feuchte Traum kleiner Mädels
Blackout Problems hat man schon des Öfteren als Support von Massendefekt sehen können, mir blieben sie bis zu diesem Abend jedoch erspart.
Viel Nebel, viele Stroboskopeffekte, viel Gepose, viel Ausbrechenwollen aus Bühnenkonventionen. Viel, viel, viel! Die Jungs sind mir zu viel von einfach allem.
Hey, versteh mich nicht falsch, ich kann eine gute Bühnenshow mit viel Drumherum durchaus genießen, aber: This is too much, Dude!
Dass Sänger Mario Radetzky in seinem oversized Underdog-Hoodie den Mädels in den ersten Reihen den Kopf verdreht, ist Geschmackssache. Mit dem leider nicht kabellosen Mikrofon durch die Menge rennen, kann man vielleicht auch mal machen. Allerdings nervt es dann doch, dass der Kleine das nicht nur einmal, sondern des Öfteren – wahlweise auch mit Gitarre – tut. Nahbar sein ist ja ganz fein. Problematisch wird es aber dann, wenn sich wegen des Kabels Leute auf die Fresse legen oder einem das Kabel plötzlich am Hals entlangläuft, weil man sich seiner neuen Rolle als Kabelträger zu spät bewusst wurde. Das ist nicht stimmungsfördernd.
Kleiner Tipp daher: Selbstinszenierung funktioniert auch von der Bühne aus.
Musikalisch sind Blackout Problems immerhin gut abgemischt, klingen eben ein bisschen wie eine deutsche Version von Bring Me The Horizon. Handwerklich also durchaus gut gemacht, da kann ich trotz fehlender Sympathie zu Sänger und Musik einfach nichts Negatives sagen.
Wer die Jungs also bei Circus Halligalli gesehen hat, gut fand, wird sie auch live mögen. Nur bitte: Be aware of the Kabel!
Massendefekt | Das Heimspiel
Besser als die Anderen ist der Startschuss für einen Abend, der dem Jubiläum gerecht werden sollte. So schwierig das Düsseldorfer Publikum auch sein kann, so dankbar ist es bei Massendefekt selbst. Deswegen ist Sebis Frage, ob man denn heute die Hütte abreiße, völlig überflüssig. Niemand im Publikum sieht jetzt noch so aus als sei er nicht genau deswegen hier.
Die Sache mit dem Abreißen funktioniert bei Massendefekt jedes Mal auf’s Neue – und heut vielleicht ein bisschen mehr.
Die Setlist ist natürlich – wie man es sich bei einem 15-jährigen Jubiläum erhofft – ein breites Mischmasch aus alten und neuen, viel gespielten und viel zu wenig gespielten Songs. Schwarz Weiß Negativ fliegt dem Stahlwerk ebenso um die Ohren wie Endlosschleifen, Überlebt, Tanz im Nebel oder Mauern.
Die Moshpits sind gewohnt hart, aber herzlich und wer nicht schon beim dritten Song schwitzt, kann am Ende nicht sagen, er sei dabei gewesen. Und wer sitzt, fliegt ja bekanntlich eh raus! (Ein Song, der mir persönlich an diesem Abend übrigens gefehlt hat)
Massendefekt | Mit (wieder auferstandenen) Freunden
Nicht nur vor der Headliner-Show kamen Freunde der Band zum Einsatz, auch währenddessen sah man das ein oder andere bandfremde Gesicht. Koje begann und Korsakow machte am Ende beim Deichkind-Cover Remmie Demmie den Abriss perfekt.
Ein weiterer Special Guest wurde zu meinem persönlichen Highlight des Abends. Schon seit längerem gehört das Cover Totgesagte leben länger der ehemaligen Punk-Band Planlos zum festen Live-Repertoire von Massendefekt. Als großer, großer, aber auch trauernder Fan eben dieser seit 2010 toten Band, war mir das schon immer Freude genug.
Aber ein Jubiläumskonzert wäre ja kein Jubiläumskonzert, wenn man diesen Song ohne Pino, ehem. Planlos-Sänger, zocken würde – fast auf den Tag genau 6 Jahre nach dem letzten Planlos-Konzert. Danke dafür!
Massendefekt | Ein Abend für Wölli
Wölli war eben nicht nur Drummer der Toten Hosen, sondern auch Ziehvater der Meerbuscher Jungs von Massendefekt. Nach seinem Tod wurden ihm auf Konzerten der Meerbuscher immer wieder einzelne Songs gewidmet. Doch an diesem Abend fand alles in Gedenken und Dankbarkeit an den Mann statt, der dafür gesorgt hat, dass es eben nicht bei nur einem Auftritt der Band blieb.
Tote Liebe und Ein Gruß gen Himmel gingen direkt ins Jenseits. Nicht nur zu Wölli, sondern zu so vielen anderen Menschen, die an diesem Abend eben nicht mehr da sein konnten. In solchen Momenten schafft es Massendefekt, eine ehrlich ehrfürchtige Stimmung zu erzeugen, die gepaart mit ein bisschen Melancholie kurz, aber laut inne halten lässt. Im Stahlwerk sieht man nicht wenigen an, dass auch sie noch immer auf jemanden trinken.
Massendefekt | Auf weitere 15 Jahre
Massendefekt sind live einfach immer großartig. Ob ohne Strom auf Promo-Tour im Saturn, auf Festivals oder vor 2000 Leuten beim Heimspiel im Stahlwerk. Eine Band, die nicht nur mag, was sie tut, sondern das Abend für Abend auch weitergeben kann.
Nächstes Jahr wird es etwas ruhiger um die Band. Mit nur drei Clubshows im April und einem bisher bestätigtem Festivalauftritt machen die Meerbuscher sich rar. Schließlich soll 2018 das nächste Massendefekt-Album erscheinen.
Massendefekt | Schwarz Weiß Negativ Tour 2017
Mar 30 S/W/N – Tour 2017 Berlin, Germany
Mar 31 S/W/N – Tour 2017 Hamburg, Germany
Apr 01 Ifan Musik-Festival Warendorf, Germany
Apr 02 S/W/N – Tour 2017 Bochum, Germany