Anti Flag nehmen kein Blatt vor den Mund. Nie. Schon gar nicht in Zeiten von Trump, epidemischem Rechtsruck und wachsender Ungleichheit auf sozialer und wirtschaftlicher Ebene. Vollgestopft mit Wut in jeder Körperzelle haben Anti Flag mit ihrem neuen Output American Fall eine Ode an den gelebten Widerstand geschaffen, der in Herz, Hirn und die Faust geht.
Mit einem lauten Schrei von Sänger Justin Sane startet der Opener American Attraction und schmettert gleich zu Beginn eine ordentliche Portion Frust heraus. Die Kunst der Ablenkung – manche nennen es Politik – ist seit Trump präsenter als je zuvor. Mit schmerzhaften Zeilen wie „American Beauty twisted / into a tragedy“ bringen es die Amerikaner nicht nur einmal auf den Punkt. Starke textliche Momente verpackt in fette Riffs, zu denen sich perfekt die Faust in die Luft recken lässt.
Nach einem so gelungenen Longplayer-Start ist es nicht leicht, den Hörer bei der Stange zu halten. Für Anti Flags American Fall aber gar kein Problem. The Criminals, ein Song zu den wachsenden Unterschieden in Einkommensverhältnissen, ist wie der Opener eine klassische Punk Rock-Nummer, die besonders durch Justins Wut in den musikalisch leisen Parts lebt. Auch Digital Blackout nährt sich von dieser Energie. Stakkartoartig befeuern Vocals und harte Riffs mit dominanten Drums die beklemmende Stimmung. Statt auf viel Text zu setzen werden die wenigen Zeilen immer und immer wieder ins Trommelfell geprügelt. „For war we live, for peace we die“ ist so simpel wie genial und doch nur ein Indiz für das großartige Storytelling beim Songwriting von American Fall.
Neben diesen sehr erbarmungslosen Songs brillieren Anti Flag auch auf der anderen Seite der Genre-Skala. When The Wall falls kommt mit astreinem Ska daher, bei dem man Trump & Co wunderbar auf der Nase tanzen könnte. Wenn der Text nicht wäre. Denn auch dieser skizziert erneut den American Fall. In dieser klaren thematischen Linie gerät die Band aber nie in Gefahr, dass das Album träge daherkommt. Dafür sorgt das breite musikalische Repertoire, das genauso evident wandelbar ist wie die Blickwinkel auf das Amerikanische Desaster. Der Refrain von Liar wäre prädestiniert für Billy Talent II gewesen, während Anti Flag sich bei Racists klanglich im poppigen Sound von Simple Plan bewegen.
Was nach unerträglicher Inkonsequenz schreit, fügt sich in American Fall perfekt ineinander. Dank der Variation, die sich auch innerhalb der Songs abspielt, und der starken Emotionen von Wut, Empörung und Frustration geht der rote Faden auch nach 11 Songs nicht verloren.
American Fall ist ein Konzept-Album, das wir so nie wollten und in Zeiten von Trump & Co doch so sehr brauchen. Es lässt kaum einen Missstand unkommentiert, die Texte sind unbequem und rütteln an der rechten Stelle. Die Musik ist emotional, vielseitig und überzeugt auf ganzer Linie. Dabei ist es eine Ode an den lebenden Widerstand, der gehört werden sollte.
Name: Anti Flag – American Fall
Genre: Punk Rock
Länge: 39 Minuten
Release: 03. November 2017
Label: Spinefarm Records
Review overview
Summary
8.5