Es ist die Generalprobe zum Jahreshöhepunkt der Rogers: Die Heimspiel-Zusatz-Show im zakk Düsseldorf. Wie sein großer Bruder konnte auch die Extra-Portion Rogers an diesem Tag ausverkauft vermelden und fuhr gleich zu Beginn mit einer Stimmung auf, mit der man Stadien füllen könnte.
Ganz untypisch für das gemeine Düsseldorfer Publikum, aber bezeichnend für diesen Abend, ist die bereits gut gefüllte Halle in Hochstimmung noch bevor Opening Act Rasta Knast auch nur einen Zeh auf die Bühne gesetzt hat. Dabei hätte die bunte Meute nach knapp 30 Minuten Verspätung durchaus Grund zum Murren. Danach scheint aber niemandem der Sinn zu stehen.
Während mich die unauthentische Wir-sind-eine-Familie-BlaBla-Attitüde bei vielen Bands meine eben verschlungene Notfall-Tiefkühlpizza wieder hochwürgen lässt, bewundere ich an dieser Stelle, dass den Besucher*innen die Sonne ehrlich aus allen Poren scheint. Jede*r kennt jede*n. Und wenn man sich nicht kennt, dann ist man trotzdem cool, einfach weil man gerade da ist. Ihr wisst, ich liebe das an Konzerten.
Rasta Knast | Tschuldige, wer?
Rasta Knasts Sound lässt sich mit nur einem Wort beschreiben: Punk. Kein Post, Rock, Skate oder Irgendwas-Punk, hier bekommt man die klassische Punk-Keule um die Ohren. Die Bühnenshow ähnelt dabei der von die ärzte: Altherren bewegen sich kaum merklich im 10cm-Radius um das eigene Mikro und gelegentlich werden die Plätze getauscht. Daher ist das absolut kein Minuspunkt, trägt aber nichts zum Wiedererkennungswert bei. Leider geht die Band aus Celle in den Stärken ihrer Nachfolger einfach unter. Solide Aufwärmübung, aber nichts für die Ewigkeit.
Deine Cousine | Newcomer-Luft
Als Deine Cousine-Sängerin Ina Bredehorn die Bühne betritt, ist sofort klar, wer hier die dicksten Eier hat. Der Vergleich mit Jennifer Rostock sinniert unweigerlich im Hinterkopf, wenn eine Frau mit so viel Energie die Bühne entert. Die Fußstapfen sind aber (noch) zu groß.
Dass sie als Newcomer in eigener Mission nur eine begrenzte Songauswahl eigener Werke vorstellen kann, ist nur natürlich. Der kleine Eindruck aus eigener Feder ist schwierig. „Kiez oder Kinder“ ist thematisch sicher gut gemeint, ist textlich aber einfach drüber. Deswegen ist es die Präsenz von Ina, die den Auftritt für das Publikum erst zum Erlebnis macht.
Wir Düsseldorfer*innen sind – zugegeben – bestechlich, wenn es um gelungene Cover-Songs von den Toten Hosen oder den Broilers geht. Da man Sängerin Ina keinesfalls ihr Gesangstalent absprechen kann und sie das euphorisch mitgrölende Publikum zudem mit einem Mundharmonika-Solo bezierzte, war die Sache für das zakk erstmal geritzt.
Für mich persönlich hat sich Deine Cousine am Ende mit einer ganz merkwürdigen Cover-Version von „Don’t stop believing“ an einem Song vergriffen, den man nicht anfassen sollte, wenn man nicht Steve Perry (Arnel Pineda lasse ich auch noch durchgehen) heißt. Erst recht verändert man den Songtext nicht. Nope, Nope. Nope.
Ich hätte uns hier gerne mehr Hintergrund-Infos eingestreut als die Tatsache, dass Ina mal mit Udo Lindenberg auf der Bühne stand, es war allerdings nichts Bandbezogenes aufzutreiben. Vermutlich wird sich das aber spätestens im April ändern, wenn Deine Cousine ihr Debütalbum veröffentlichen.
Rogers | Das zakk wird zum Stadion
Oh dear, damit hatte ich nicht gerechnet.
Und damit meine ich nicht den 2-Meter-Typen in einem Kaltgetränke-Flaschen-Kostüm , der sich irgendwie wunderbar ins (Bühnen-)Geschehen integrierte. Ich meine die Stadion-Stimmung, die Spiel- und Abriss-Laune auf und vor der Bühne und überhaupt – wieso merkt man davon nichts auf Platte?
Sowieso wirkt bei den Rogers alles eine Nummer größer als sie wirklich sind (oder ich es nur wahrnehme?). Schon den ersten Song „Nie euer Land“ begleitet nicht nur ein epischer Vorhang-Drop, sondern auch das bandeigene Street Team mit Mini-Konfetti-Kanonen – abgefeuert passend zum Takt des Intros. Touché. Wer braucht schon fette Konfetti-Anlagen, wenn man eine treue Fangemeinschaft hat? Das geht zieht sich über den Abend soweit, dass man sich fragt, wer hier eigentlich für die Showeinlagen zuständig ist. Die klare Antwort: Beide – Band und Publikum.
Ich tue an dieser Stelle nicht so, als könne ich beurteilen, wie gut oder schlecht die Setlist die Diskographie der Düsseldorfer widerspiegelt, aber eins steht fest: Die Mischung ist gelungen! Die Band liefert damit dankbaren Nährboden auch für Menschen, die bisher mit den Rogers auf Platte noch nicht recht etwas anfangen konnten – wie mich! Auf der Bühne, angestachelt von so vielen Leuten, die sich offensichtlich viele, viele Gedanken gemacht haben, wie sie IHRE Band supporten können, eröffnen die Rogers plötzlich Gitarren- und Stimmgewalten, die live faszinieren.
„Kreuzberger Nächte“ verwandelt das zakk binnen Sekunden erst in eine nicht endende Polonaise und dann ist ein springendes, tanzendes Massaker! Da stehen die kleinen Düsseldorfer den großen Hosen in stimmungsvollen Saufliedern definitiv in nichts nach. Gleiches gilt für das wabernde Fahnenmeer bei – Surprise! – „Fahnen im Meer“, das dem Heimspiel in Düsseldorf-Flingern Stadionstimmung verlieh. Auch die frisch releaste Single „Zu Spät“ schmiegte sich perfekt in die Riege der bekannten Klassiker und wurde mindestens genauso frenetisch gefeiert.
Der Fleiß der Düsseldorfer, sich auf Touren und Festivals dumm und dusselig zu spielen, zahlt sich offenbar aus. Nachdem sie 2016 an gleicher Stelle nur ein Heimspiel ausverkauften, folgte 2018 das doppelte Vergnügen vor dankbarem Publikum. Wo also geht die Reise 2019 mit neuem Album im Gepäck hin? Ich bin gespannt, werde es verfolgen und bin mir sicher, dass wir im kommenden Jahr – sollte wieder eins im zakk stattfinden – im ein oder anderen Querbalken an der Decke noch Konfetti-Reste finden werden.