Tequila and the Sunrise Gang habe ich erst kürzlich kennen gelernt. Als Vorband einer großen, deutschen Band. Im Kopf sind mir nach diesem Abend aber nicht die Beatsteaks geblieben, sondern die quirligen Kieler mit ihrem Ska-Punk.
Dieser Beitrag ist letztlich irgendwas zwischen Erklärungsversuch und Liebeserklärung.

1. Egal ob Schweiß oder Blut tropft – es gibt mindestens 150%.

Was in den 70ern auf Black Sabbath Konzerten zum guten Ton gehörte, sieht man heute eher selten: Blut am Frontmann. Dass der Schweiß in kleinen Clubs von der Decke tropfen muss, damit ein Konzert mit dem Prädikat „sehr gut“ gekrönt wird, kennt man. Wenn plötzlich Blut an der Gitarre klebt, wird’s interessant. Ich gebe zu, es war nur ein Finger, der nicht aufhören wollte zu bluten. Aber Sänger, Gitarrist und Frontmann René blutete gute 30 Minuten sein Instrument voll. Pause für ein Pflaster? Kam nicht in Frage! Erst ein Pflaster aus dem Publikum stoppte die Blutung. Manchmal sind es eben die kleinen Zeichen der Hingabe, die zeigen, wie viel Leidenschaft in manch einem Musiker steckt.

2. Allwetter-Ska zum Genießen.

Bevor Tequila and the Sunrise Gang auf meinem Radar auftauchten, waren Songs mit Ska- und Reggae-Einschlägen ausschließlich Gutwetter-Musik. Sonnenschein = Ska. So einfach und eingeschränkt die Gleichung. Heute stehe ich in strömendem Regen auf der Straße mit den Kielern auf den Ohren und mir wird klar, dass ich bisher einfach noch keinen guten Ska gefunden hatte.

3. TATSG knacken das härteste Publikum.

Ich liebe meine Heimatstadt, aber Düsseldorf ist schlichtweg ein unangenehm undankbares Publikum. Wie viele Support-Acts habe ich schon scheitern sehen. Und dann kommen die Jungs aus dem hohen Norden, haben keine Ahnung, dass sie mit den zakk-Zuschauern eine der kritischsten Meuten vor sich haben und spielen unschuldig drauf los. Plötzlich ist Düsseldorf handzahm!
Vorne wurde eifrig gehüpft und selbst in den letzten Reihen wippten die Füße – das habe ich genau gesehen!
Und Stefan und ich? Na, wir waren schockverliebt. Aktuelles Album gekauft, zwei Wochen in Dauerschleife gehört und das nächste Konzert in Köln mitgenommen.

4. TATSG begeistern.

Köln ist eher eine gefügige Stadt. Generell. Auf das durchschnittliche Konzert-Publikum bezogen natürlich!
Es war ein Fest mitzuerleben, wie schnell die Kölner Zuschauer auf der Headliner-Tour sich ausgelassen der Musik hingaben. Knackig, witzige Ansagen. Bläser, für die die Verstärker nahezu überflüssig waren. Eine Band, die Bock hatte, geile Musik zu spielen. Ein Publikum, das Bock hatte, geile Musik zu feiern. Es hat alles gepasst.
Völlig egal, ob Tequila and the Sunrise Gang auf Headliner-Tour im nicht ausverkauften Mini-Club oder in einer überfüllten ehemaligen Industriehalle als Support einer Über-Band spielen. Ob Platte oder live. Sie begeistern. Immer.

5. Das Songwriting.

Ein Grund für die Eingängigkeit der Songs ist das großartige Songwriting. Jeder Song hat das Potential direkt im Ohr zu bleiben. Aber nicht wegen der allseits gefürchteten Sinnlosigkeit á la „I’ve been looking for freedom“. TATSG meistern den Drahtseilakt meisterhaft, leicht zugängliche Melodien und Texte zu kreieren, dabei aber niemals in die Belanglosigkeit zu rutschen. Man nehme Take You Home. Das erste Mal allein im Auto gehört und gleich losgeheult. Nie hätte ich gedacht, dass Ska mich so übel erwischen kann. Oder den Rausschmeißer Burn In Hell von Fire Island. Das beste Hasslied, das ich je gehört habe. Kraftklubs Dein Lied kann einpacken.
Die Kompatibilitätsfrage von easy-going und Tiefgang sei hiermit ein für alle Mal geklärt.

6. In einer Liga mit den Beatsteaks.

Vor einer der größten deutschen Live-Bands zu spielen ist kein Zuckerschlecken. Die Gefahr ist groß, dass man einfach still und leise im Schatten der großen Namen untergeht. Aber TATSG machen eben Eindruck.
Wenn man sie lassen würde, wenn Ska einen Hauch mehr Mainstream wäre. Ja. Dann würden die beiden Bands live in einer Liga spielen. Und sind wir mal ehrlich: Vergleicht man die letzten beiden Veröffentlichungen der Bands miteinander, unterliegt die Hauptstadt dem beschaulichen Kiel.

7.Crowdsurfender Saxofonist.

Die Kieler verstehen Spaß! Freiwillig war es nicht, dass Saxofonist Mathis plötzlich auf Händen durch den Kölner Sonic Ballroom getragen wurde. Aber ganz Profi am Instrument ergab er sich seinem Schicksal und rockte sein Solo auch knapp unter der Decke und gefährlich nah am Deckenventilator…

8. Sympathie.

Ja, manchmal spielt auch so ein subjektives Etwas namens Sympathie mit. Die Jungs freuen sich sichtlich über jeden Applaus, versprühen Herzblut (manchmal auch nur Blut) bei jedem Ton und sind fast sprachlos, wenn selbst 500km von ihrer Heimat entfernt die willenlose Meute ihre Texte mitsingt. Nach jeder Show laufen sie ohne Umwege direkt zum Merch-Stand, damit kein Kunde/Fan/Neubegeisteter warten muss. Dabei nehmen sie sich offenkundig gern viel Zeit zum Schnacken.

9. Die Sache mit der guten Sache.

Bands, die ihre Reichweite – egal wie groß sie ist – nutzen, um wichtige, gesellschaftliche Themen aufzugreifen, gibt es einige. Und seien wir mal ehrlich: Derzeit kann es davon nicht genug geben. Tequila and the Sunrise Gang sind nicht „nur“ gegen Nazis, sondern setzen sich für den Schutz der Meere ein. Das Video zu ihrem Song Campfire Light ziert keine romantische Lagerfeuer-Kulisse, sondern Fakten rund um die Verschmutzung unserer Weltmeere. Als Kieler kennen sie den Wert von schönen und gesunden Gewässern.

Wenn Du jetzt Blut geleckt hast, dann empfehle ich dir für mindestens eins der folgenden Konzerte dringend die nächste Vorverkaufsstelle deines Vertrauens aufzusuchen!

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