Mit dieser Review werde ich mir vermutlich keine Freunde machen.[1]
Queenie tauchte erstmalig in der lautesten Zeit der Black Live Matters-Bewegung in meinem Feed auf. Zwischen schwarzen Quadraten, Alice Hasters und Tupoka Ogette[2] blitzte immer wieder der Roman mit dem markanten Cover auf. Im Urlaub war mir nach einem Nicht-Fantasy-Roman und so wurde Queenie recht spontan weitere Urlaubslektüre.
Erwartungen an Queenie…
Gelockt haben mich neben dem Klappentext auch die anpreisenden Zitate, über die ich mich am Ende wirklich aufgeregt habe. Ich möchte sie euch daher nicht vorenthalten:
- »Carty-Williams hat die Geschichte einer Schwarzen Frau aufgeschrieben und daraus ›die‹ Geschichte unserer Zeit gemacht.« TIME Magazine
- »›Queenie‹ wurde die ›Schwarze Bridget Jones‹ genannt. Aber dieses Buch ist noch viel besser.« Sunday Times
- »Großartig: am Puls der Zeit, lustig, herzzerreißend.« Jojo Moyes
…die sie wieder mal nicht erfüllen konnte
Meine Probleme:
- Wenn das DIE Geschichte unserer Zeit ist, dann fasse ich ab sofort keine Bücher mehr an. Die Geschichte ist weder sprachlich der Burner, noch arbeitet es Themen wie Rassismus, Sexismus und Depressionen auch nur annähernd soweit auf, dass sie den Hauch einer Chance gegen die nervige und bockige Grundattitüde der Protagonistin ankommen.
- Der Vergleich kommt hin. Ob es allerdings „besser“ oder nur „ausgeprägter“ ist, muss jede:r selbst entscheiden.
- Wenn am Puls der Zeit bedeutet, dass alle Frauen in ihren 20ern quengelige, unreflektierte und egozentrische Frauen sind, die eigentlich nur über sich selbst reden wollen, dann zitiere ich gern an dieser Stelle die ärzte: „Leben wir nicht in einer herrlichen Zeit?“ – Nein.
Vielleicht wurde aus den drei Punkten schon klar, warum ich mit Queenie nicht klar komme. Ich kann die Protagonistin nicht ernst nehmen. Sie ist unreflektiert – besonders in ihrer Beziehung zu Tom –, ist bockig, wenn man ihr spiegelt, dass ihr Verhalten nicht in Ordnung war und erwartet von der Welt, dass alles nach ihren Vorstellungen läuft. Ihre Freundinnen sind nur dazu da, ihr Genörgel anzuhören und ihr bitte auch nur so zu antworten, wie sie es gern möchte.
Daraus bestehen ¾ des Buches.
Dazwischen findet man immer wieder kleinere Momente, die oft im Zusammenhang mit ihrer Großmutter auftauchen, wo es um die Kultur ihrer Familie geht, Verdrängung, sexuelle Selbstbestimmung und multikulturelles Zusammenleben. Hat man diese Fünkchen gefunden, werden sie kurz darauf wieder von Chatverläufen mit ihren Freundinnen a lá „Tom hat mich nicht mehr lieb“ geflutet. In Rezensionen lese ich immer wieder, wie Leser:innen das als Auflockerung schwerer Themen empfinden – das kann ich leider gar nicht nachvollziehen.
Am Ende wird ein weiteres, großes Thema aufgemacht, dass ich hier nicht spoilern möchte. Und als wäre der Autorin auf den letzten Seiten aufgefallen „Achja, die Protagonistin ist ja Schwarz“, wirft man nochmal das Rassismus-Thema in den Raum und versucht verzweifelt, die letzten 500 Seiten aufzuarbeiten.
Und jetzt?
Die Protagonistin war für mich schlichtweg unerträglich und daher auch nicht nachvollziehbar. Das größte Problem, das ich mit dem Roman habe: Ich weiß nicht, was er mir sagen will.
Unter dem Charakterschirm von Queenie werden so viele, wichtige, interessante Themen angerissen, aber sie werden trotz der klobigen 544 Seiten nicht genug erklärt, kontextualisiert und aufgearbeitet.
Viel verschenktes Potenzial.
[1] #unpopularOpinion
[2] Die Bücher dieser beiden Frauen bitte unbedingt lesen/hören!