Die erste Hälfte von 2017 haben wir schon etwas länger hinter uns gebracht, das hindert uns aber nicht daran, einmal zurückzuschauen. Was hatten die Monate Januar-Juni an großartigen Alben zu bieten? Stefan und ich haben uns daher mal angeschaut, welche drei Longplayer sich bei uns jeweils so durchsetzen konnten.
Stefans Top 3
Platz 3 | Kreator – Gods of Violence
Meine Nummer 3 des ersten Halbjahres 2017 kommt aus dem wunderschönen (nun ja…) Essen, von den unangefochtenen Großmeistern des deutschen Thrash-Metal um Mille Petrozza: Kreator!
Auf Gods of Violence verfolgen Kreator den auf Phantom Antichrist eingeschlagenen Weg konsequent weiter, ohne jedoch die Klasse des Vorgängers ganz zu erreichen. Geboten wird jederzeit melodischer, aber dadurch kein bisschen weniger zorniger Thrash Metal. Frontmann Mille nimmt man seine Wut auf Krieg und totalitären Terror auch mit fast 50 vollkommen ab. Altersmilde sucht man hier vergebens! Wer Thrash Metal mag oder den Soundtrack für einen besonders miesen Tag sucht, kommt an diesem Album nicht vorbei! Zum Reinhören empfehle ich Army of Storms oder das extravagante, mit einem deutschen Refrain versehene Fallen Brother. Und wer Kreator live sehen kann (z.B. kommendes Wochenende auf dem W:O:A), sollte sich diese Naturgewalt auf keinen Fall entgehen lassen.
Platz 2 | Heretoir – The Circle
Heretoir sind eine junge, 2006 in Augsburg gegründete Band, die mit The Circle in diesem Jahr erst ihr zweites Album auf die Menschheit losgelassen haben. Und was für eines!
Heretoir spielen auf The Circle modernen Post Rock mit starkem Metal- und Black-Metal-Anteil. Das Album (das mit 75 Minuten Spielzeit für meinen Geschmack jedoch etwas zu lang geraten ist) weist jederzeit eine dichte Atmosphäre auf, ist oft angenehm offen, beinah luftig, was die Metalausbrüche umso heftiger erscheinen lässt. Dabei beweisen Heretoir ein gutes Gespür für Songstrukturen, die den Hörer packen und so schnell nicht mehr loslassen. Dies beweist vor allem Inhale, dessen langes, sich immer weiter steigerndes Intro seinesgleichen sucht. Ein weiteres Highlight ist fraglos der Titelsong, der sämtliche Stärken des Albums beeindruckend in sich vereint und sich durch ein treibendes Riff tief in die Gehörgänge schraubt. Wer ein Faible für Genres, hat die mit „Post“ beginnen, braucht The Circle! (…und sollte sich Heretoir mal live geben. Wirklich!)
Platz 1 | Dragonforce – Reaching Into Infinity
Dieses Album ist ein Problem. Ich sage es mal so: Wenn ihr vorhabt, in diesem Jahr noch andere Neuerscheinungen zu hören und nicht ewig ein Album in Dauerrotation zu haben, dann vergesst dieses Album. Ganz schnell.
Beim Power Metal und mir läuft es seit Jahren gleich: Ich verliere das Interesse am Genre, widme mich eher härteren Subgenres des Metal, und dann bringt einer meiner frühen Helden ein neues Album raus und packt mich. Orden Ogan schaffen das regelmäßig. Freedom Call auch. Und dieses Jahr besonders gut: Dragonforce.
Reaching Into Infinity ist das in meinen Ohren kompletteste Album von Dragonforce. Es ist durchweg stark, bedient alle Erwartungen eines Dragonforce-Fans und bietet nebenbei Genreausflüge, die gelungener nicht sein könnten. War! und The Edge of the World sind unerwartete Großtaten der Band mit einem überragenden Marc Hudson, und daneben liefern Dragonforce herausragenden (Extreme) Power Metal, wie man ihn von Dragonforce kennt, ohne sich jedoch zu wiederholen. Bestes Beispiel hierfür ist Judgement Day.
Reaching Into Infinity ist ein heißer Anwärter auf den Titel „Album des Jahres“. Und – muss ich es erwähnen? – im Herbst kommt die Band auch in unsere Breiten. Hingehen!
Miriams Top 3
Platz 3 | Keele – Gut und dir
Die Überraschung des Jahres!
Die Review zu Gut und dir war eine der ersten, die ich für Album der Woche geschrieben habe. Am Anfang geteasert mit dem Song Terminal klang Keele für mich noch solide und gut, aber nicht so ganz herausragend. Dabei ist dieser Longplayer genau das. Es ragt aus der Masse heraus. Trotz vertrauter Elemente wie der sprachlichen Schärfe von Love A und der drängenden Monotonie von Turbostaat haben die Jungs das Körnchen Besonderheit, das ich so schätze.
Dabei muss man bedenken: Das Ding ist ein Erstlingswerk. Wenn so das Debüt aussieht, bin ich verdammt gespannt, was da noch kommt.
P.S.: Die Rookie-Records-Kollegen Love A haben sich übrigens mit Keele um diesen Platz duelliert. Nichts ist neu ist nämlich ebenfalls von Herzen zu empfehlen. Aber der Nachwuchs schläft eben nicht.
P.P.S.: Hah, jetzt habe ich klammheimlich doch noch eine Top 4 draus gemacht.
Platz 2 | Die Toten Hosen – Laune der Natur
Diese Platte ist einfach phänomenal gut geworden. Die fanatischen Ballst der Republik-Liebhaber werden werden sicherlich enttäuscht gewesen sein, aber genau diese Abgrenzung zu ihrem erfolgreichsten Album, brauchten die Düsseldorfer. Laune der Natur ist so persönlich und dadurch an manchen Ecken nicht nur schwer, sondern auch schwierig geworden. Eine Handvoll Erde hört man eben nicht nebenbei. Gerade deswegen steckt in diesem Album so viel Die Toten Hosen wie lange nicht mehr.
Das Album ist keines wie mein Platz 1, das ich ständig höre, kein Dauerbrenner. Eher die Art des unauffällig, aber steten Begleiters.
Platz 1 | Dragonforce – Reaching Into Infinity
Stefan und ich hatten lange Diskussionen darüber, ob es wirklich nötig ist, dass wir das gleiche Album auf die 1 wählen. Ja, ist es.
Der Mai war der bisher stärkste Release-Monat. Mit den Toten Hosen, Love A, Papa Roach und Dragonforce kamen gleich vier von mir sehnlichst erwartete Veröffentlichungen. Letztendlich war es Dragonforce mit Reaching Into Infinity, die sich durchgesetzt haben – bis heute. Nach mittlerweile 2,5 Monaten des Dauerhörens wird dieses verdammte Ding einfach nicht langweilig. Es läuft beim Autofahren, beim Putzen, beim Schreiben – es läuft ständig.
Mit dem Songwriting haben sich die Jungs um Ausnahmegitarrist Herman Li selbst übertroffen. Statt auf altbewährte Schnelligkeit als einziges Alleinstellungsmerkmal zu setzen, geht es in Reaching Into Infinity quer durch sämtliche Metal-Genres. Von Power Metal bis hin zu Death und Thrash ist alles dabei. Das Überraschende daran: Das Goldkehlchen Marc Hudson meistert Shouts und sogar Growls als hätte er nie etwas anderes gemacht. Musikalisch, technisch und gesanglich einfach ein überragendes Album!
Welche Alben gehören für euch denn zu den besten der ersten Hälfte 2017?