Was für eine Setlist, was für ein Abend! Auch in der zweiten Hälfte ihrer weltweiten Afraid of Heights-Tour machen Billy Talent Halt in Deutschland und rissen am vergangenem Montag die Westfalenhalle in Dortmund ab.

Am Sonntag noch auf allen Vieren vom Wacken gekrabbelt, ging es am Montag gleich mit Vollgas weiter. Warum ich mir das antue? Weil Billy Talent ein Garant für einen vorzüglichen Konzert-Abend sind. Außergewöhnlich ist an diesem Abend aber auch das örtliche Publikum. Statt sich eine Stunde vor Einlass um die Bändchen für die erste Welle zu prügeln und im Pulk auf die Securities loszugehen, steht man zivilisiert in einer Schlange an. Wo gibt’s denn sowas? Fröhliche Tiefenentspannung unter den Besuchern herrscht also schon von Minute null an, schließlich wollen wir doch nur eins: In die erste Welle. Einen geilen Abend bei Billy Talent erleben.

Manche würden sagen, das zivilisierte Verhalten wird mit dem ersten Takt von Devil in a Midnight Mass direkt wieder über den Haufen geworfen. Dieser Opener lässt keine Zeit für ein gediegenes Beschnuppern von Publikum und Band, sondern katapultiert die gesamte Halle sofort auf Höchstleistung. Selbst die „scheiß Tribüne“ kocht im Hexenkessel der nicht ausverkauften Westfalenhalle.

Angeführt von Ben Kowalewicz bringen die Kanadier trotz ihrer klassischen Besetzung aus jeweils einer Gitarre, Schlagzeug und Bass mehr Power auf die Bühne als Interpreten mit zwei oder mehr Gitarren. Gitarrist Ian D’Sa haut bei Pins and Needles und The Crutch so ordentlich in die Saiten, dass weitere sowieso nur stören würden. Vielleicht ist es nicht das beste Basssolo der Welt, aber für eine ganze Generation vermutlich das prägendste, das Bassist Jonathan Gallant bei Devil on My Shoulder über Minuten zupft.

Billy Talent besitzen die exzellente Gabe den Spannungsbogen immer gespannt zu halten und so eine Setlist zusammenzuschustern, die diesmal ein feuchter Traum für all diejenigen ist, die mit Billy Talent II oder schon mit seinem Vorgänger begonnen haben – und das sind nicht gerade wenige in Dortmund. Fallen Leaves, Red Flag, The Ex oder Try Honesty sind mitunter die Songs, die das lauteste Feedback erhalten. Obwohl das aktuelle Album schon ein Jahr auf dem Buckel hat und mit sechs Songs vertreten ist, können gerade mal die erste Single Afraid of Heights und Louder Than The DJ da mithalten.

Sentimental wird es, als Ben Kowalewicz den langjährigen Freunden Chris Cornell (Soundgarden) und Chester Bennington (Linkin Park) den Song Nothing To Lose widmet. Beide begingen vor Kurzem Suizid. Das Dortmunder Publikum antwortet mit einem Lichtermeer. Eine schöne und ehrliche Geste, die man der Band ebenso abnimmt wie Bens Ansagen. In denen richtet er sich klar gegen Diskriminierung und spricht auch unangenehme Themen wie Suizid oder die MS-Erkrankung des Drummers offen an.

Auf die Kanadier ist live einfach immer Verlass. Billy Talent rocken die kleinen Hallen ebenso wie die großen Festivals und werden dabei nie langweilig.

Wie das Konzert im Dezember 2016 in Düsseldorf war, könnt ihr hier nochmal nachlesen.