Vor ihrem Auftritt beim Süchteln brennt 2019 haben wir uns mit René Unger unterhalten, Sänger und Gitarrist von Tequila and the Sunrise Gang. Es ging um das heimische Gefühl 600km entfernt von Zuhause, Pläne mit den neuen Bandhandy, das Songwriting und dessen bald hörbare Ergebnisse.

Ihr ward ja letztes Jahr schon hier. Anscheinend hat es euch gefallen?
Ja, total. Wir sind ein bisschen erwartungslos – sag ich mal ganz ehrlich – hergekommen, weil wir von dem Festival noch nie gehört haben und tatsächlich auch gar keine Vorstellungen hatten, was hier so passiert und waren dann wirklich absolut überrascht von der absolut geilen Durchführung. Mega professionell, liebevoll alles durchgearbeitet und das Konzert war dann auch einfach mega. Und so langsam sind wir hier in dieser Ecke, glaube ich, auch angekommen. Da macht das wirklich Spaß und es kommen wirklich viele Leute und da kommen wir mit Kusshand wieder zurück.

Werdet ihr jetzt auf dem Süchteln brennt zum Dauergast?
Nee, ich glaube, das ist auch nicht im Sinne des Veranstalters. Ich glaube, auch für die Fans nicht. Die wollen dann auch mal ein bisschen Abwechslung. Wir schauen, dass wir so regelmäßig in die Ecke hier kommen. Wenn man uns einlädt, kommen wir aber trotzdem – das ist keine Frage.

Konzertbericht: TATSG beim Süchteln brennt 2019

Du hast es schon angesprochen: Süchteln hat seinen ganz eigenen Charme. Wo liegen denn da die Unterschiede zu anderen Festivals in ähnlicher Größe?
Das, was ich mit Süchteln verbinde, ist, dass wir tatsächlich sehr wenige Indoor-Festivals spielen. Ich glaube, 2018 war das das einzige und ich würde behaupten, 2019 bleibt es auch das einzige. So dieses Konzept, wir haben 5-6 Bands, die wir in eine Location stopfen und machen da einen geilen Abend draus, habe ich das Gefühl, stirbt so ein bisschen aus. Es ist dann eher: Wir machen hier bei uns auf dem Acker ein Festival – was ja auch total cool ist. Aber es ist natürlich auch angenehm, das jetzt zu einer festivaluntypischen Zeit machen zu können.
Persönlich finde ich es hier witzig, weil es hier gefühlt sehr dörflich ist. Wir kommen jetzt 600km weit weg und es sieht aber aus wie bei uns zuhause – also außer der Küste, die fehlt. Als wir das erste Mal hier waren, fuhren wir so an diesem Haus vorbei und dachten: Da ist das drin? Das ist doch so ein kleiner Suburb. Irgendwie haben wir uns das anders vorgestellt.

Die Leute mögen ihn und da haben wir relativ schnell festgestellt, das ist auch ein Song, den wir selber wirklich, wirklich gut finden.

Letztes Jahr habt ihr das erste Mal Songs von Of Pals and Hearts vorgestellt. Wie war die Feuertaufe?
Gut! Es ist immer witzig und eigenartig, den eigenen Song das erste Mal live zu spielen, weil man natürlich auch selber ein Gefühl hat und eine Erwartung vielleicht auch an den Song. Man schreibt den Song und man baut den tausend Mal auseinander, dann nimmt man ihn auf, hört ihn eine Million Mal, kann ihn nachher erstmal eine Zeit lang gar nicht mehr hören, weil man ihn so oft gehört hat. Und ihn dann das erste Mal live zu spielen, ist dann wirklich so eine Feuertaufe. Ich weiß nicht mehr genau, was wir gespielt haben. Ich weiß aber, dass wir einen Song gespielt haben, wo wir gedacht haben, den müssen wir auf jeden Fall live spielen, den wollen die Leute auf jeden Fall live hören. Der ist cool. Und es stellt sich raus, dass gar nicht. Das ist auch mittlerweile ein Song, den wir auch gar nicht mehr live spielen, weil die Leute den irgendwie nicht so angenommen haben, wie wir uns das erhofft haben. Aber das ist normal.

California war es nicht.
Nein, California war es nicht. Den haben wir gespielt und daran kann ich mich tatsächlich erinnern. Ich glaube auch, weil ich da wirklich ganz hart den Text verkackt habe.

Ja, da war was.
Genau, das verbinde ich damit.

Von Keep Me Arrested ward ihr auch sehr überzeugt.
Ja, das ist auch ein Song, der uns auf dem Album – am meisten bewegt kann man gar nicht sagen – aber es passte schon alles. Das hat man schon gemerkt, als wir den Song zusammengebaut haben und das lief eigentlich sehr, sehr reibungslos. Es wurde wenig hin und her gedreht. Der Song stand und lief, macht Spaß, zu spielen. Die Leute mögen ihn und da haben wir relativ schnell festgestellt, das ist auch ein Song, den wir selber wirklich, wirklich gut finden. Da wäre es natürlich traurig gewesen, wenn wir dann festgestellt hätten: Okay, wir finden den cool und der Rest sagt: Oh, nö, danke. Brauchen wir nicht. Aber zum Glück ist es ja nicht so gekommen.

Wir haben eine mega geile Zeit gehabt, haben supergeile Clubs anfahren dürfen, überall für unsere Verhältnisse eine klasse Resonanz erfahren und viel gesehen, viel erlebt, mega viele Leute getroffen – das war mega klasse.

Nach der Feuertaufe wart ihr länger auf Tour. Wie lief die für euch?
Super geil! Wir haben noch die ganzen Festivals mitgenommen und waren dann im September 10 Tage am Stück unterwegs und das war einfach mega. Wir haben eine mega geile Zeit gehabt, haben supergeile Clubs anfahren dürfen, überall für unsere Verhältnisse eine klasse Resonanz erfahren und viel gesehen, viel erlebt, mega viele Leute getroffen – das war mega klasse. Jetzt habe ich wirklich oft mega gesagt, aber das machen wir dieses Jahr genauso wieder. Wir werden vielleicht einen Großteil der Clubs wieder anfahren, weil auch einfach da die Resonanz von den Clubbetreibern gut war: „Kommt gerne wieder!“ Und dann machen wir das auch gerne.

Können wir euch dann auch im Tube erwarten?
[Druckst herum] Vielleicht. Wir sind ja jetzt am 16.3. in Köln. Dann wissen wir noch nicht, was an der Festivalfront noch passiert. Wenn das Eier mit Speck Festival uns ruft, kommen wir mit Kusshand, d.h. es könnte sein, dass wir dann sagen: Okay, Tube machen wir dann vielleicht Frühjahr 2020 mal wieder. Wir wollen uns dann auch nicht überpräsent machen. Also: Vielleicht.

Konzertbericht: TATSG beim Süchteln brennt 2019

Wie viele haben wir euch 2017 bei den Beatsteaks zum ersten Mal gesehen, kennen und lieben gelernt. Merkt ihr, dass die Tour euch auch langfristig Schwung gegeben hat?
Ja, langfristig, aber auch punktuell. Ich glaube, diese kleine Köln-/Düsseldorf- – ich nenne es mal Explosion – wir hätten nie gedacht, dass so viele Leute ins Tube kommen und der Laden da so bummsvoll ist. Das hat sicherlich mit den Beatsteaks zu tun. Das glaube ich schon. Es freut uns natürlich sehr, dass wenn uns eine Bühne geboten wird, auf der wir uns präsentieren dürfen, dass das auch sowas nach sich zieht und die Leute hinterher sagen: „Hey, das ist gar nicht so kacke, das gucke ich mir nochmal als ganzes Konzert an.“ Das merken wir schon total.

Wir wären dafür, dass ihr irgendwann mal mit der besten Band der Welt auf Tour geht.
[Schmunzelt] Meine Bandkollegen werden da sicherlich lachen, wenn sie das später hören oder lesen, aber da würde auch von meiner Seite nichts dagegen sprechen.

Unser Bestreben ist es, Whats App als ersten Kommunikationskanal zu nehmen.

Ihr habt neuerdings ein Bandhandy.
[René fängt lauthals an zu lachen] Ja. Stell deine Frage ruhig zu Ende.

Was dürfen wir denn da erwarten?
Wir wünschen uns einen engen Draht zu den Leuten, die uns gut finden. Das ist uns wichtig. Wir mögen das und genießen das auch sehr durch Deutschland zu fahren und auch Leute zu treffen. Vorm Konzert, nach dem Konzert, Leute wie euch kennen zu lernen [wir werden rot] oder einfach Leute, die als Gast auf unsere Show kommen. Das macht uns sehr viel Spaß. Da ist Whats App dann der direkteste Kontaktweg. Wir bzw. ich war da immer ein bisschen skeptisch, ob das funktioniert. Jetzt haben wir das Gerät. Unser Bestreben ist es, Whats App als ersten Kommunikationskanal zu nehmen, d.h. wenn wir irgendwas veröffentlichen, es eine Pre-Order oder Ticketverkäufe gibt, dass alle Leute, die sich bei Whats App miteinklinken, eine Stunde vorher diese News kriegen. Um zu sagen: Dadurch, dass Du uns dein Vertrauen entgegenbringst, uns deine Daten gibst, kriegst Du den Vorteil, du willst jetzt ein Ticket haben und hast eine Stunde Zeit und erst dann kommt der Rest hinterher. Genauso werden wir bestimmt auch mal ein kleines Special machen, wo wir sagen: Alle, die in der Whats App-Gruppe sind und heute aufs XY-Konzert kommen, die kriegen am Merchandise-Stand ein T-Shirt zum halben Preis oder so. Wir wollen das jetzt nicht machen, um irgendwie Daten abzugreifen. Da haben wir gar nichts von, aber wir wollen schon den direkten Kontakt ausbauen und da versuchen wir schon kleine Specials anzubieten und zu sagen: Danke, dass ihr das macht, dafür bekommt ihr von uns auch eine Kleinigkeit. Aber das baut sich erst alles auf.
Ich habe heute auf der Autobahn geplant, die ersten – ich kann es nicht sagen – 70 Kontakte, die sich bei uns gemeldet haben, fein säuberlich einzusortieren, habe ich noch nicht gemacht. [Lacht] Mache ich vielleicht morgen auf der Rückfahrt.

Konzertbericht: TATSG beim Süchteln brennt 2019

Also baut ihr euch euren eigenen kleinen Fanclub auf?
Ja, also erstmal ist es für uns cool, den direkten Kontakt zu haben, Leute halt auch spezifisch für Sachen zu informieren, d.h. jemand der wie ihr hier aus dem – ich nenne es salopp – Ruhrpott kommt [Anm. d. Red.: Rheinland, nicht Ruhrpott <3], für den ist es uninteressant, ob wir in Kiel spielen, weil es ein sehr weiter Weg ist. Deswegen hätten wir auch gern den Herkunftsort, um zu sagen: Wenn Du aus Kiel kommst, dann versorgen wir dich auch mit Infos über Kiel und nicht was in Essen, Dortmund oder sonst wo passiert. Im Zweifelsfall interessiert ihn das nämlich gar nicht.

Die Resonanz ist anscheinend gut.
Ja, auf jeden Fall. Für uns ist natürlich auch mega wichtig die Streuung unserer Band über den privaten Weg auszubauen. Also den Leuten zu sagen: Toll, dass Du uns gut findest, danke dafür! Und wenn Du uns gut findest, sag das doch mal deinen Freunden. Das ist natürlich auch ein Weg, den wir über Whats App noch direkter kommunizieren und auch ein paar Leute ganz konkret anzuschreiben. Ey, Du kommst aus Dortmund, wir sind nächste Woche bei dir, ich schick dir 200 Flyer, hast Du Lust, die zu verteilen? Dafür kommst Du umsonst rein. [Spricht direkt ins Aufnahmegerät] Also meldet euch bei unserem Bandhandy an! [Anm. d. Red.: Nummer: 0178 1677553]

Dann werden wir im September wieder eine Woche am Stück unterwegs sein und dann werden wir – so ist der Plan – im November ins Studio gehen.

Du hast die kommende Tour schon angesprochen: Gibt es darüber hinaus noch Pläne für 2019?
Viele! Im März machen wir drei, vielleicht werden noch fünf Konzerte draus. Wir sind in Leipzig, Göttingen und in Köln. Der Festivalkalender füllt sich gerade auch sehr, sehr gut. Wir haben bisher 12 bestätigte Festivals für den Sommer, Tendenz steigend. Dann werden wir im September wieder eine Woche am Stück unterwegs sein und dann werden wir – so ist der Plan – im November ins Studio gehen, um neues Material aufzunehmen. Malte nickt dumm lachend [sic!]. Das ist der Plan.

Wie läuft denn das Songwriting bei einer Band mit so vielen Mitgliedern?
René: Gemischt. Ich bin schon ein kleiner – Diktator darf man nicht sagen, oder? Bandnazi darf man auch nicht sagen.
Malte aus dem Hintergrund überzeugt: Doch!
René: Ich habe schon eine sehr, sehr konkrete Vorstellung und ich bin derjenige, der zu 95% ein Songgrundgerüst mitbringt und sagt: Das ist meine Vorstellung von Gitarre, Gesang und Schlagzeug. Dann bauen wir das zusammen und dann ergibt sich das so, dass im Kollektiv jeder seinen Senf dazu gibt. Also wenn ich jetzt unserem Schlagzeuger sage, ich habe so ein Beat im Kopf, sagt er auch: Hey, lass uns das mal so probieren. Also meistens ist das so, dass ich eine Grundidee mitbringe, lass sie 30 Sekunden lang sein und dann versuchen wir das im Kollektiv zusammenzuschrauben und jeder gibt seinen Senf dazu bei. Aber ich muss dazu sagen, ich kann da wirklich sehr engstirnig sein. Ich habe da so meine Dinge im Kopf und wenn es dann arg davon abweicht, dann kann ich wirklich schon eine kleine Diva sein – kann man das so sagen? Ich weiß es nicht. Ich habe jedenfalls eine konkrete Vorstellung und möchte auch gern, dass das so gemacht wird, aber ich versuche mich auch zu bessern. Und wenn jemand mir einen guten Vorschlag macht, kann ich das auch annehmen.

Wir werden am 20. Februar eine Single veröffentlichen – ein bisher unveröffentlichter Song.

Wie entstehen denn die Texte? Und wo liegen die Inspirationsquellen?
Ich habe auf dem letzten Album angefangen, auch private Geschichten, was mir passiert ist, was mich auf ganz privater Ebene beschäftigt hat, in die Texte einzubauen, weil das ein wahnsinnig schöner Kanal für Sachen ist, für Sachen, die man erlebt habt. Schreckliche Sachen, schöne Sachen zu verarbeiten und auch irgendwie mit Leuten zu teilen, die vielleicht den Song und den Text hören und sich durchaus denken: Ja, kenne ich! Das Problem oder das, was Du erlebt hast, habe ich auch erlebt. Schön, dass es dir da genauso geht.
Das war das erst Mal für mich, dass ich das so gemacht habe. Das war ein großer Teil und ansonsten ist es eine Mischung aus allem. Es gibt Songs, wo ich mich drüber freue, dass wir das so machen können, wie wir es machen. Dass wir die Möglichkeit haben, durch die Gegend zu fahren, gute Zeiten zu erleben. Und es gibt Texte, wo ich mich aufrege.

Wir werden am 20. Februar eine Single veröffentlichen – ein bisher unveröffentlichter Song. „So What“ wird der heißen und das ist ein Song, der sich zum Beispiel mit diesem Rechtsruck in Deutschland gerade beschäftigt. Mal die Frage in den Raum gestellt: Wo kommt diese Ablehnung, die sich gerade durch Deutschland zieht, her? Was gibt bestimmten Menschen in Deutschland den Grund Leuten, die hier Zuflucht und Hilfe suchen, zu sagen: Nee, nee. Du hast hier nichts zu suchen. Wir kommt man da drauf? Wir in Deutschland meckern auf dem höchsten Niveau und wir leben in einem absoluten Überfluss von allem und wenn dann Leute kommen, die Hilfe suchen und die ihr Leben riskieren, um hier anzukommen, ist es für mich absolut unverständlich, dass es Leute gibt, die sich da hinstellen und sowas sagen. Das sind Themen, die mich beschäftigen und wo auch alle meine Bandkollegen hinter mir stehen und die politische Einstellung total teilen. So baut sich das zusammen zu einem bunten Reigen aus ein bisschen was Ernstem, bisschen was Lustigem und bisschen was Persönlichem.

Es gibt riesengroße Müllinseln, die irgendwo durch die Ozeane treiben. Deswegen ist es mega, mega gut, wenn jeder etwas tut, ganz viele Faktoren ein Großes werden.

Ein weiteres Thema, das euch die letzten Jahre beschäftigt hat, ist der Umweltschutz, speziell der Schutz der Meere. Wie siehst du als jemand, der am Meer aufgewachsen ist und entsprechend andere Erfahrungswerte hat als wir beispielsweise, die Richtung, in die sich das Thema derzeit bewegt?
Ich glaube, dass es in die richtige Richtung geht. Ich finde es aber wahnsinnig schwer, das abzuschätzen, weil ich das Gefühl habe, dass es auch relativ schwer ist, konkrete Informationen zu bekommen. Also ich glaube schon, dass es viele richtige Schritte gibt, dass es viele Organisationen gibt, die sich diesem Thema annehmen und dass viele Leute auch vielleicht verstehen und zustimmen, dass wir da auch mal was machen müssen. Im Endeffekt passiert das in einer Dimension, die man sich nicht vorstellen kann. Es gibt riesengroße Müllinseln, die irgendwo durch die Ozeane treiben. Deswegen ist es mega, mega gut, wenn jeder etwas tut, ganz viele Faktoren ein Großes werden. Aber ich glaube, diese wichtigen Schritte, die jetzt folgen müssen, dass auch ganz Große sagen, dass sie da mitmachen.
Da fand ich es eine gute Geschichte, dass viele Einzelhändler gesagt haben: Plastiktüte gibt es bei uns nicht mehr. Ich glaube, Rossmann war einer der ersten. Mittlerweile sieht man das bei vielen großen Discounterketten. Das ist cool, das geht in die richtige Richtung. Aber das ist natürlich auch ein minimaler Prozentsatz von der Großindustrie, wo ich weiß nicht wie viel Müll täglich produziert wird. Da ist es natürlich schwierig zu kämpfen. Trotzdem nutzen wir weiterhin unsere kleine Plattform, die wir haben und sagen: Hey, jeder kann seinen Teil dazu beitragen und wenn wir viele kleine Teile haben, dann wird es irgendwann ein großes sein.