Mit 21 ist der musikalische Geschmack ja laut Quellen, die ich mir ausdenke (ich bin sehr seriös) angeblich für den Rest des Lebens gefestigt. Dann ist es für mich ja allerhöchste Zeit, mal darüber zu schreiben, welche Künstler, welche Alben, welche Tracks und auch welche Live-Performances mich und meinen Musikgeschmack geprägt haben, und welche ich vielleicht auch lieber wieder vergessen wollen würde. Ich gehe dabei in der Reihenfolge meiner Entwicklung vor und nicht nach Erscheinungsdatum, ergibt ja auch irgendwie mehr Sinn. Und ich unterscheide, ob mich etwas im positiven oder negativen Sinne geprägt hat. Let’s go!
Der Beginn – Blind Guardian
Fangen wir mit etwas an, was eigentlich nicht mal so richtig auf meine Kappe geht, sondern auf die von meinem Dad: Blind Guardian. Wer einmal mit mir über Musik gesprochen hat, der weiß zwei Dinge. Erstens: Außer Techno und Goa – beides Genres, bei denen ich Herzrhythmusstörungen bekomme – habe ich eigentlich aus jedem musikalischen Lager etwas abbekommen. Und zweitens: Ich liebe Blind Guardian. Das hat mit circa drei Jahren angefangen, als ich „Somewhere Far Beyond“ (von 1992, nicht das einzige Album, das vor mir rauskam und trotzdem wichtig für mich ist) hören durfte, während damals für mich unendlich erscheinenden Autofahrten in die Niederlande. Da kommt direkt das Retrofeeling wieder hoch. Und damit sind wir auch beim ersten Album einer Band, die mich heute durch jeden Tag begleitet.
„Somewhere Far Beyond“ ist für mich ein unvergleichliches Album. Die Männer um den unsagbar genialen Hansi Kürsch haben in diesem Album erstmals keinen reinen Powermetal mehr gespielt und sich neue Dinge getraut, die, obwohl sie unglaublich gut ankamen, genauso gut einen deftigen Teil der Fanbase hätten vergraulen können. Und ich habe mich tatsächlich immer mal wieder in meinem Leben genau an diesen Mut erinnert und dann auch einfach Sachen gemacht, auf die ICH Bock hatte. Bei denen ich nicht wusste, wie andere diese aufnehmen würden, aber das war egal, und das sollte es jedem sein, das hat mich dieses Album gelehrt, über viele Jahre. Vom Songwriting muss ich diesmal gar nicht erzählen, da komme ich mir nur wie der größte Fanboy vor, auch wenn mir das damals wohl nicht wichtig war.
Es sollte dennoch genug aussagen, dass mein All-Time-Favorite auf dem Album zu hören ist: „The Bards Song (In the Forest)“ ist ein Meisterwerk ohnegleichen. Und da wird auch nicht diskutiert, Hands Down bester Song meines Lebens. „Theatre Of Pain“, „Time What Is Time“ und auf jeden Fall auch „Black Chamber“ sind Tracks, die meinen musikalischen Geschmack bis heute prägen. Das liegt wohl auch daran, dass sie einige Elemente anderer Genres nutzen und mir sowas immer gut gefällt. Geht über Grenzen, die jemand anders gesetzt hat, hinaus. Traut euch Zeug, dass ihr euch vorher nicht getraut habt. Vielleicht macht euch das ja auch zu Kolossen eurer Szene, wer weiß…
Die Bedeutung von Musik – Marilyn Mason & Patti Smith
Aber genug geschwärmt, weiter geht unsere kleine Reise. Und nennt mich verrückt, krank oder sonst was: Marilyn Manson. Auch hier geht ein dicker Dank an meinen Dad, ohne den ich diesen Künstler wohl nie bemerkt hätte. Das Wort Künstler ist in diesem Fall wirklich wichtig, denn auch wenn dieser Mann definitiv nicht mehr alles beisammen hat, ist die Musik, die er erschaffen hat, vor allem bis 2012 (Born Villain) definitiv nicht einfach nur Musik. Da ist etwas dran, dass er „normalen“ Musikern voraushatte. Etwas seltsam Faszinierendes, ein bisschen wie ein Autounfall. Seltsam und schrecklich, aber befassen musst du dich trotzdem damit. Das beschreibt es wohl recht treffend so wie Scharfschützen.
Weiter geht es mit einem Namen, der sich in dieser Geschichte auf der Seite derer wiederfindet, die nur wenig mit meinem eigentlichen Geschmack zu tun haben, aber dazu später mehr. Es geht um Patti Smith. Mittlerweile bin ich fünf oder sechs Jahre alt, also immer noch absolut nicht gefestigt in meiner Musik. Und bei ihr ging es mir nicht mal so sonderlich um die reine Musik, sondern um die Emotionen, die mitschwangen. Und auch wenn es der erste Track ist, der einem einfällt, wenn man Patti Smith hört, er hat mich geprägt: „Because the Night“ hat einfach ein ganz besonderes Feeling und dementsprechend besonders ist auch sein Platz in meinem Herzen. Erschienen ist der Track übrigens 1978, auf dem Album „Easter“.
Dank Patti Smith habe ich gemerkt, dass Musik mehr ist als eine melodische Abfolge von verschiedenen Tönen. Es geht um das, was du ausdrücken willst, um dein Seelenheil oder deine Ängste, die Liebe deines Lebens oder einen herben Verlust. Sobald Emotion dabei ist, ist der Rest zweitrangig.
MTV – Die Vor- und Nachteile
Machen wir weiter mit einer teilweise weniger rühmlichen Zeit meiner musikalischen Entwicklung, die trotzdem sehr wichtig war, weil da erstmals ein richtiges Gefühl für Hits und Melodien in mir aufkam. Es geht um meine Jahre sieben bis elf (bin ich froh, wenn ich endlich älter als zwölf werde, dann werden Zahlen nicht mehr ausgeschrieben). Das war so die Zeit, in der auf MTV – ausgeschrieben immerhin Music Television – wirklich noch Musik lief. Aber was da lief, meine Güte. Der simpelste, der langweiligste, der generischste Pop. Und wenn ich mich zurückerinnere an die Texte, dann drehen sich alle Mägen im Umkreis von 100 Metern und diverse Legenden der Musik im Grabe um. Auf der anderen Seite war und ist „I Kissed A Girl“ auf jeder Party nach dem ein oder anderen Lifestylegetränk immer noch ein Banger. Andere Tracks gefällig? „Das rote Pferd“ (Markus Becker), „Sweet About Me“ (Gabriella Cilmi) oder „Don’t Stop the Music“ (Rihanna).
Ich sagte eingangs aber TEILWEISE weniger rühmlich. Teilweise wohl deswegen: „Back to Black“ von Amy Winehouse, „Summer Wine“ von Ville Valo und Natalia Avelon oder auch „Wenn Nicht Jetzt, Wann Dann?“, von den Höhnern, die immerhin Kölner Legenden sind. Amy Winehouse will ich hier nochmal hervorheben, da ist meine Liebe für den Soul und den R’n‘B entstanden. Dieser Groove treibt mich heute immer wieder durch die gesamte, mit 35 Quadratmetern natürlich auch riesige Ein-Zimmer-Wohnung. Die Höhner muss ich dann aber auch nochmal erwähnen, denn wo kommt man gerade in Köln nicht drum herum? Karneval, und welcher Name fällt einem da auf jeden Fall immer recht schnell ein? Na also, merkst du selber, was?
Back to the roots – es blieb schwarz im Gehörgang
Und mit dieser Grundlage habe ich dann weiter gemacht, bis ins Jahr 2010 hinein, ich bin also endlich 13. Da habe ich mich dann erstmals wieder intensiver mit Musik beschäftigt, und wie das dann so ist, wenn man so oder so eher Rock und Metal hört, dann driftet man komplett ab. Ich habe in kürzester Zeit viele neue Bands entdeckt, die mir zusagten. Ob In Flames, Avenged Sevenfold, Evanescence, Aerosmith, oder vor allem dank „At The Edge Of Time“ auch wieder Blind Guardian: Es wurde bunt und blieb doch schwarz in meinem Gehörgang.
Und tatsächlich hat sich seitdem nicht mehr so sonderlich viel verändert. Ich habe mir immer wieder neue Dinge angehört, durch meinen Dad, durch Freunde, durch andere Verwandtschaft und und und. Das letzte Album, dass mich in meiner grundlegenden musikalischen Wahrnehmung groß verändert hat, war aus 2014 „World on Fire“ von Slash. Durch dieses Album bin ich tatsächlich „sanfter“ geworden. Melodien und ein guter Groove sind einfach immer wichtig und wenn die Melodie gut ist, dann ist das Ensemble nahezu komplett egal.
Honorable Mentions – die richtige Musik zur richtigen Zeit
Bevor wir jetzt zum allerletzten Song kommen, der mich vor allem in meiner Charakterbildung nochmal stark veränderte, die allseits beliebten „honorable mentions“, die bis jetzt traurigerweise keinerlei Erwähnung fanden, aber dennoch dafür sorgten, dass ich in jedem Genre ein wenig meiner Seele verloren habe. Dazu zählen Queen um Freddie Mercury. Eine der wenigen Bands, deren Tracks man nicht anders interpretieren darf. Die müssen so gespielt werden, wie sie auch komponiert wurden, da gibt es keine Diskussionen. Led Zeppelin, aber auch Frank Sinatra, Frank Zappa oder Eminem haben einigen Einfluss auf meine musikalische Entwicklung gehabt.
Und damit jetzt zum letzten Track, der mich wirklich verändert hat, da er einfach in einem Moment wichtig wurde, der mich so oder so verändert hat. Als ich letztes Jahr in Cádiz im Urlaub war, ruft mich eine Woche vor Abreise mein Dad an und meint, dass ich unbedingt sofort zurück nach Deutschland muss; aus dem Grund, dass meine Ma den Kampf gegen den Krebs auf jeden Fall verlieren wird. Und am selben Tag am Flughafen habe ich auf einmal „Gravity“ von Papa Roach gehört, ein wirklich trauriger und melancholischer Liebestrack. Und ich weiß nicht warum, es hat einfach genial gepasst. Er hat mich halbwegs beruhigt in einer Situation, die absolut unruhig war. Deswegen ist der Track auch in kürzester Zeit zur Vorlage meines ersten Tattoos geworden.
Um jetzt aber nicht so traurig aufzuhören: Musik hat mir sehr stark geholfen, damit klarzukommen. Es ist einfach mein Allheilmittel, wenn es mir mal nicht gut geht. Also merkt euch, geht es euch schlecht – hört Musik. Ist nicht immer alles, um sich wieder gut zu fühlen, aber ein Anfang auf alle Fälle.