Ich kann ja mit fast aller Musik etwas anfangen. Nur Techno, Schlager und Country sind wirklich schwer zu ertragen. Aber ansonsten tue ich mir fast alles an und bin mir für nichts zu schade. Da passiert es dann immer mal wieder, dass ich den Altersdurchschnitt auf Konzerten teils sehr deutlich nach unten ziehe. Das ist mir bei Seasick Steve wieder passiert, denn so ziemlich jeder – außer einem Jungen – war mindestens 20 Jahre älter. Aber gut, was will ich auch erwarten, wenn der Künstler selbst deutlich über 70 ist und auf einer Gitarre Blues spielt, die aus einem Besenstiel, einer Bierbüchse, zwei Radkappen und einem Pfannenwender besteht und maximal drei Saiten hat.
Aber, und das ist der eigentliche Punkt: Es hat unendlich viel Spaß gemacht, auch, wenn es etwas gedauert hat, bis ich komplett drin war und mich darauf eingelassen hatte. Das lag vielleicht auch an der Vorband, die eben Country gespielt hat, aber naja. Mein Dad meinte zu mir, und da hat er eigentlich recht: Bei Country fühlt es sich oft so an, als würde einem eine Dosis Valium gespritzt werden. Man wird langsam aber sicher ruhig und alles wird einem egal.
Seasick Steve selber hat das komplette Gegenteil abgeliefert, da war nicht mehr viel mit komatöser Ruhe zu holen. Blues ist laut, roh und kratzig. Und so war auch der Auftritt. Vor allem laut, es war sehr, sehr laut. Das Gloria hat zwar eine tolle Akustik, aber ein bisschen weniger wäre trotzdem toll gewesen.
Die Musik war wirklich gut gemacht, wenn auch immer ein bisschen schief und krumm, aber das gehört wohl dazu. Ich liebe einfach diesen Groove, den Blues mit sich bringt, auch einer der Gründe, warum die aktuelle Platte von Black Stone Cherry so gut wie täglich bei mir läuft. Und wenn der Künstler dann die Balance findet zwischen lauten und leisen Stücken, zwischen Musiker sein und Entertainer, und zwischen gewaltig und gefühlvoll, dann ist das Konzert eigentlich immer gut, unabhängig vom Genre. Und genauso war es: Mit zum Beispiel Hate da Winter gab es laute Tracks, mit Sun on my Face und Walking Man gab es gefühlvolle Nummern – bei Walking Man durfte sogar eine Dame mit auf die Bühne und für sich singen lassen – und immer wieder wurden lustige kleine Anekdoten aus Key West (was übrigens gute 250 Kilometer auf dem Meer vor Miami liegt – was machen die, wenn die Brücke mal einen Schaden hat?) erzählt.
Zu allem Überfluss habe ich ja auch einen Plattenspieler, und natürlich habe ich mir dann die Platte gekauft, und wenn man schonmal dabei ist, kann man sie ja auch direkt signieren lassen. Das liebe ich einfach an kleinen Locations. Die Möglichkeit, den Menschen hinter dem Musiker zu sehen. Und Seasick Steve scheint echt ganz in Ordnung zu sein. Ein bisschen seltsam, aber normal ist ja auch langweilig.