Andernach. Wirklich?
Wenn man als international agierende Heavy Metal Band eine Location für den einzigen Headliner-Gig in Deutschland sucht, wie kommt man da auf Andernach? Denkt man sich: „Hey, geil, lass uns den Ort mit dem höchsten Kaltwassergeysir der Welt bespielen! Da gibt es nur ein Jugendzentrum? Reicht.“

Als halbes Dorfkind bin ich abgelegene Locations wie den Juz Live Club mitten im Nirgendwo durchaus gewohnt. Parkplätze sind theoretisch keine vorhanden, aber in der Praxis gibt es stattdessen Felder, Grünstreifen, Schotterplätze oder Vorgärten. Man muss halt kreativ werden. Danach trottet man einfach – je nach Gegebenheiten – der weiterführenden Spur anderer Autos, dem Menschenstrom oder wie in unserem Fall Ross The Boss mit Special Manowar-Set.

Denn Manowar selbst sind ja heute scheiße, aber damals gut gewesen und weil der ehemalige Gitarrist Ross Friedman das alte Zeug heute voll gut spielt (bzw. singt), ist das jetzt toll.
Ihr seht, ich habe keine Ahnung von Manowar, fand auch das total spezielle Special-Manowar-Set nur semi-überzeugend und wenn ich wirklich ganz ehrlich bin, war es in meinem Kopf einfach ziemlich schlecht.
Ich habe mir aber von meiner herzallerliebsten Begleitung sagen lassen, dass es für Kenner eigentlich ziemlich gut war.

Aber ich war ja auch nicht wegen Ross The Boss da. Auch nicht für 21 Octayne oder Ancillotti, die den Abend eröffnen durften. Das alles haben wir uns aus Gründen (Zeit, Anfahrt, Unlust) ausnahmsweise gekniffen.

Wer sich ausführlich dafür interessiert, was die Bands live so können kann sich den Konzertbericht von Ancillotti und Ross The Boss bei The Pit mal durchlesen.

Pretty Maids - Kingmaker Tour 2017 - Andernach
Manche Namen sind größer als die Bühnen, die sie bespielen

Pretty Maids | „Do you remember the 80s? We don’t!“

Ein ganz kleines bisschen hatte ich ja Bedenken, was den Altersdurchschnitt auf so einem Konzert angeht. Denn irgendwie scheine ich für so einen Kram einfach per se zu jung zu sein. Nun gut. Wir gehören zwar zu den Jüngsten, aber der befürchtete 2-Generationenunterschied blieb weitestgehend aus. Stattdessen ist das Publikum unerwartet international. Franzosen, Dänen und Spanier haben sich alle auf die Socken gemacht, um die Pretty Maids im beschaulichen rheinland-pfälzischen Andernach zu sehen – und es hat sich gelohnt!

Schon beim Betreten der Bühne zeigt sich, was für eine phänomenal faszinierende Bühnenpräsenz diese Dänen haben. Sänger Ronnie Atkins ist ein Tier, stimmlich wie optisch und klingt live noch rauer, noch energetischer als auf Platte – als sei das möglich!

Die Technik sorgt allerdings für einen semi-guten Start. Die Gitarre scheppert sehr matschig und auch die Rückkopplung des Basses bekommt der Soundtechniker während des Openers Mother of all Lies nicht in den Griff – da sind selbst die friedlichsten Dänen ziemlich schnell ziemlich angepisst. Wenn Blicke töten könnten…
Dennoch: Die Jungs stehen seit 1981 auf der Bühne. Da sind auch enorme Soundprobleme kein Hindernis, eine qualitativ großartige Show abzuliefern.

“Do you remember the 80s? We don’t!” Das erklärt einiges, lieber Ronnie. Hier spürt man ihre Routine ohne routiniert zu sein. Das aktuelle Album Kingmaker dominiert mit dem gleichnamigen Song, Face The World, Heavens Little Devil und Bull’s Eye das erste Drittel der Setlist, macht live aber keinen akustischen Unterschied zu den 80er-Kracher Red, Hot and Heavy, Back To Back und Yellow Rain. Nach dem anfänglichen Soundfauxpas klingt alles sauber und schmettert wie es sich gehört.

Drummer Allan, der Tage zuvor noch mit einer Lebensmittelvergiftung im Krankenhaus lag, ist sichtlich fit und froh, die Drumsticks wieder selbst zu schwingen. Währenddessen wirbelt Rene Shades seinen Bass so ausgelassen, dass er dabei auf der kleinen Bühne regelmäßig mit seinen Bandkollegen kollidiert. Ken Hammer hingegen ist auf seiner Position rechts außen nicht nur optisch der Fels in der Brandung, sondern für Ronnie Atkins immer wieder Anlaufstelle für Anekdoten oder einen kurzen Austausch mit und ohne Mikro. Die beiden haben sich selbst nach 36 Jahren noch nicht satt – das sieht man. Und das hört man!

Selbst jetzt – fast eine Woche später – wo ich die letzten Zeilen dieses Berichts schreibe, bin ich noch zutiefst beeindruckt, wie die Pretty Maids diese winzige Bühne betreten haben und ihre eh schon verfickt guten Songs in ein großartiges Erlebnis verwandelt haben.
Hut ab vor dieser Band!

Pretty Maids im WWW: Homepage | Facebook | Twitter | Instagram

Setlist:
Mother of All Lies
Kingmaker
Red, Hot and Heavy
Face the World
Heavens Little Devil
Yellow Rain
Rodeo
Bull’s Eye
Savage Heart
Pandemonium
I.N.V.U.
Please Don’t Leave Me (John Sykes cover)
Eye of the Storm
Back to Back
Future World
Little Drops of Heaven
Love Games