„Kennste einen, kennste alle“, schimpfen gern Mitdreißiger*innen über eine enttäuschte Liebe. Oder ich über Blessthefalls neues Werk Hard Feelings.
Aushängeschild und erste Single-Auskopplung Melodramatic verspricht so einiges: powergeladene Chöre, zuckersüße Clean-Vocals, wütendende Metalcore-Parts und eine beträchtliche Abwechslung innerhalb des Songs von Rock-, Core- und Electro-Parts. Schicke Sache, dachte ich mir. Das klingt nach ordentlich Potenzial.
Das möchte ich den Amerikanern auch nicht absprechen, nur hat man sich im immer gleichen Hamsterrad verfangen. Der Opener Wishful Sinking ist der heimliche Zwillingsbruder von Melodramatic, der leider unter epileptischen Anfällen und übertriebenen Electro-Ausschlägen leidet.
Was beim Opener zu viel ist, fehlt an anderer Stelle. Sakura Blues baut sich erst fein elektronisch auf, endet aber als Rohrkrepierer, weil keine Dynamik aufkommt. Andere Songs wie I’m Over Being Under(rated) und Sleepless in Phoenix bleiben zu vorhersehbar.
Was Blessthefall definitiv beherrschen: Kleine Hardcore-Mädchen in Ekstase bringen. Feeling Low und Keep Me Close sind streckenweise so herzzerreißend poppig, dass ich die Mädels aus der ersten Reihe schon in Ohnmacht fallen sehe. Sänger Beau Bokan hat eben auch die perfekte Hardcore Schleim-Schmelz-Stimme, die universal in allen Gesangspassagen passend klingt. Mir gefällt’s, ich verstehe aber auch, warum das einigen zu soft ist.
Einen Hauch Boshaftigkeit schwingt im viel umkeiften Cutthroat mit, der mich wieder auf das angesprochene Potenzial bringt. Das packen sie auch beim Rausschmeißer Welcome Home noch einmal aus. Ein bisschen Pop-Punk, ein bisschen Emo, eine Prise My Chemical Romance-Power und die damit reingebrachte Abwechslung macht wieder Hoffnung.
Hard Feelings hätte mehr Mut gebraucht. Mehr nach vorne in die Extreme. Weniger Hamsterrad. Ihr Label-Debüt bei Rise Records ist leider mutlos uninspiriert. Kennste Melodramatic, kennste Hard Feelings.
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Summary
5