Wenn man die Opel-Gang-Attitüde 35 Jahre durch die Zeit schickt und sie mit der heutigen gesellschaftlichen und politischen Situation konfrontieren würde, käme genau das raus: Lauter als Bomben. Die Donots zeigen sich auf ihrer neuen Platte kameradschaftlicher, fast schon ein wenig wehmütig, zerpflücken dennoch Nazis und Dummschwätzer immer noch leidenschaftlich gern in der Luft.

Die erste Anti-Ihr-Attitüde lässt nicht lang auf sich warten. Der erste Track Geschichten vom Boden ist ein ordentlicher Punk-Klopper, der zunächst mit ein bisschen Gitarre, Bass-Drum und dem altbekannten Donots-Chor auskommt und plötzlich über den Hörer hereinbricht – ganz so, wie man es vom Quintett gewohnt ist. Einfach das eigene Ding machen, denn „in euren Club wollen wir sowieso nicht rein“ und überhaupt gilt: „Jeder Bordstein ist ein Thron!“ Textlich und musikalisch ist alles kompromisslos auf den Punkt gebracht. Der Nachfolger Keiner kommt hier lebend raus wirkt im Albumkontext plötzlich gar nicht mehr so poppig wie es als Singleauskopplung zunächst wirkte. Hier versteckt sich nämlich die Mitsing-Nummer, mit der man auch den letzten Sesselpupser aus den Federn hievt, um verdammt noch mal das Leben zu feiern, schließlich „kommt hier keiner lebend raus“!

Gleiches Potenzial hat die Hymne an alle Schlaumeier, Besserwisserboys und -girls Whatever Forever. Auf 1:50 Minuten liefern die Donots mein persönliches Highlight ab, das sich live nicht nur für den perfekten Circle Pit eignet (bereits persönlich erprobt!), sondern auch knackige Riffs abfeuert, die man sich jedes Mal reinziehen sollte, wenn einem jemand mal wieder dumm kommt. Selten wurde ein „Jaja“ so schön vertont!

Das war es dann leider schon mit den Songs, die einem das schlecht sitzende Toupet vom Kopf reißt. Dafür gibt es andere Stärken, die je nach musikalischer Vorliebe länger brauchen, um ihre volle Pracht zu entfalten. Rauschen (auf jeder Frequenz) wandert auf dem Grat zwischen geil und langweilig. Ein bisschen träge wirkt der immer gleiche Rhythmus schon. Dazwischen werden dann aber Zeilen rausgehauen wie „Unsere Köpfe könnt ihr niemals haben, weil unsere Herzen lauter als Bomben schlagen!“. Was für eine Message! Die Stelle hat mir Gänsehaut versetzt.

Eben solche Schleicher ins Herz sind die überraschend ruhigen und zurückgenommenen Songs. Alle Zeit der Welt ist kein songwriterisches Meisterwerk, ist aber das, worum es geht. Entschleunigung. Sich gehen lassen. Am besten zusammen mit den Leuten, an die man denkt, wenn Das Dorf war L.A. und darauf Eine letzte Runde läuft. Da haben wir sie nämlich, die Opel-Gang-Augenblicke. Man hat sich monate- oder jahrelang nicht gesehen und irgendwie ist es immer noch so geil wie es immer war – und immer sein wird. Diese Songs leben von der Atmosphäre und den Erinnerungen. Plötzlich tun sich da Seiten der Donots auf, die sie nicht mehr nur in Interviews oder auf der Bühne verkörpern, sondern als Albumfokus festlegen. Eine Definition nicht über das Anti-Ihr, sondern das Wir-Gemeinsam. So muss sich die Sache mit der Opel Gang 1983 angefühlt haben.

Und wenn man die engsten Menschen mal nicht um sich hat, dann muss man eben mit sich selbst auskommen. Für den Fall haben die Donots auch einiges in petto. Gegenwindsurfen zelebriert die eigene Fehlerhaftigkeit und Heute Pläne, morgen Konfetti trifft mein Lebensmotto auf den Kopf.

Manche Titel bleiben allerdings auch mit gutem Willen farblos. Aschesammeln versinkt mit schwerfälliger Abwechslung und wenig ambitioniertem Text in der starken ersten Hälfte. Obwohl die „Steh auf, wenn Du am Boden bist“-Message – um bei den Toten Hosen zu bleiben – treffsicher formuliert ist, bleibt die Melodie unspektakulär und verpasst das Spiel mit Besonderheiten.

Das alles ist Meckern auf sehr hohem Niveau. Mit Lauter als Bomben sind die Donots unbestritten angekommen – als Band, als Freunde und Familie. Völlig egal, ob das leise oder gewohnt laut passiert. Hauptsache zusammen. Ein bisschen wie die moderne Opel Gang eben.

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Review overview

Gesamt:8

Summary

8